Empfehlung Teilen von Medikamenten

Das Teilen von Tabletten hat sich, auf Grund von Rückmeldungen der Pflegkräfte, als eine Problematik mit besonderen Herausforderungen herausgestellt.

Das Teilen von Arzneimitteln ist in Deutschland weit verbreitet, denn es wird ungefähr jede vierte Tablette halbiert oder auch geviertelt. Die Gründe sind zwar verständlich, das Teilen jedoch oft schwierig und in Einzelfällen sogar riskant.

Tabletten können Bruchkerben tragen, um eine Teilung zu ermöglichen. Aber nur zur Teilung zugelassene Tabletten dürfen zur Anpassung der Dosierung tatsächlich geteilt werden.

Das Vorhandensein einer Bruchkerbe ist nicht immer Hinweis auf eine Teilbarkeit. Hierbei kann es sich um eine produktionsbedingte Schmuckkerbe handeln. (vgl. Kreis Soest, 2003)

Gründe für das Tablettenteilen:

  • Flexible, bedarfsgerechte Dosierung
  • Wenn Tabletten mit der benötigten Stärke nicht verfügbar sind
  • Wenn häufige Dosisanpassungen erforderlich sind (z.B. bei Hydroxycumarinen)
  • Bei ein und/oder ausschleichender Dosierung
  • Erleichterung der oralen Einnahme
  • Kostensenkung

Wo liegen die Risiken?

  • Funktion der Arzneiform geht verloren (Retardierung, Magensaftresistenz)
  • reduzierte Arzneistoffstabilität
  • Risiko der Fehldosierung (Gleichförmigkeit der Tablettenteile nicht gegeben)
  • Wirkstoffverlust durch Teilung
  • toxikologische Gefährdung des Patienten oder Pflegepersonals
  • Therapieschemata werden für Patienten komplizierter

Geltungsbereich und Zweck

Diese Empfehlung gilt für den stationären und ambulanten Pflegebereich und dient dem sicheren Umgang mit Verordnungen über zu teilenden Medikamenten und dem richtigen Umgang mit dem zu teilenden Medikament.

Adressaten

Die Empfehlungen richten sich primär an:

  • Pflegkräfte
  • Apothekerinnen und Apotheker
  • Ärztinnen und Ärzte der hausärztlichen Versorgung
  • Organisationen der Patientenberatung
  • Selbsthilfegruppen
  • Kostenträger

Gültigkeitsdauer und Aktualisierungsverfahren

Die Empfehlung ist bis zur nächsten Aktualisierung gültig, die Gültigkeitsdauer wird auf 2 Jahre geschätzt. Vorgesehen sind regelmäßige Aktualisierungen, bei dringendem Änderungsbedarf werden diese gesondert publiziert. Kommentare und Hinweise für den Aktualisierungsprozess sind ausdrücklich erwünscht und können an das Netzwerk Lebensqualität durch Arzneimitteltherapiesicherheit e.V. adressiert werden:

Jörn Ardey (j.ardey@nela-ev.de)

Empfehlung

Folgt man einer Empfehlung aus dem Kreis Soest, ist das Teilen der Medikamente möglichst zu vermeiden, da durch die Teilung die Haltbarkeit verkürzt wird und eine genaue Dosierung nicht mehr sichergestellt ist. Wenn eine Teilung des Medikamentes nicht vermieden werden kann, muss dieses unmittelbar nach der Teilung verabreicht werden. (vgl. Kreis Soest, 2003)

Auch die Mediengruppe Deutscher Apotheker machte im Jahr 2012 darauf aufmerksam, dass das Medikament erst kurz vor der Applikation geteilt werden darf, um einen Wirkstoffverlust weitestgehend zu vermeiden. (vgl. Mediengruppe Deutscher Apotheker, 2010)

Die Thematik „Teilen von Tabletten“ wurde aktuell in die Änderung der Apothekenbetriebsordnung (Inkrafttreten: 12. Juni 2012) aufgenommen.

Im neuen § 34 „Patientenindividuelles Stellen und Verblistern von Arzneimitteln“ wird die Abgabe geteilter Tabletten an Pflegeheimbewohner durch die Apotheke künftig erheblich erschwert. Das nachträgliche Verändern des Fertigarzneimittels – hierunter fällt auch das Teilen von Tabletten – soll dabei grundsätzlich verhindert werden. (vgl. ApBetrO § 34)

Informationen zur Teilbarkeit können dem Beipackzettel entnommen werden. Wenn in der Fach- oder Patienteninformation folgende Hinweise aufgeführt sind, dürfen Tabletten ebenfalls nicht geteilt werden: „Die Tabletten sollen nicht geteilt werden“ oder „Die Tabletten sind nicht zur Dosierung der halben Dosierung durch Teilen geeignet“. (vgl. Quinzler & Haefeli, 2006)

Ob eine Tablette geteilt werden darf hängt im Wesentlichen von den Wirkstoffeigenschaften, der Galenik (Galenik ist ursprünglich die Lehre von der Zusammensetzung und Zubereitung bzw. Herstellung von Arzneimitteln.), der Form der Tablette und der Beschaffenheit der Bruchkerbe ab.

Es wurden zahlreiche Studien durchgeführt, um die Teilungsgenauigkeit von Tabletten zu ermitteln. In einer Studie, in der unterschiedliche Tabletten mit Bruchkerbe von Hand geteilt wurden, wichen je nach Präparat 15–55% der Teilstücke um mehr als 15%, bei einem Präparat sogar 40% der Teilstücke um mehr als 25% vom Sollgewicht ab (vgl. Teng at al, 2002).

„Beim Teilen von Tabletten können sich nicht nur technologische, sondern auch toxikologische Problemstellungen für das Pflegepersonal ergeben. So können gegebenenfalls Stäube freigesetzt werden, die nicht immer als uneingeschränkt unbedenklich angesehen werden. Wegen der toxikologischen Gefährdung ist das Teilen von Retinoiden wie auch von CMR-Stoffen (canzerogen-mutagenreproduktionstoxisch) unzulässig.“ (Stapel, 2014)

„Nicht zuletzt die Rabattverträge können Probleme verursachen, wenn zum Beispiel verordnete und an sich teilbare Tabletten durch wirkstoffidentische, aber nicht teilbare Tabletten eines anderen Herstellers ausgetauscht werden müssen. Nicht selten ist der wirtschaftliche Vorteil gering, das Risiko für die Arzneimitteltherapie jedoch erheblich. Das Teilen von Tabletten sollte deshalb nur in Ausnahmefällen angeordnet werden, zumal dies in der Langzeittherapie in der Regel keinerlei medizinischen Vorteil mit sich bringt.“ (Stapel, 2014)

„Auch auf der Ebene des Landes Nordrhein-Westfalen wird dieses Problem diskutiert. Die 21. Entschließung der Landesgesundheitskonferenz im Jahr 2012 hat das Thema Arzneimitteltherapiesicherheit bearbeitet und auch das Teilen von Arzneimitteln problematisiert. Unter anderem wurde folgender Satz aufgenommen: „Ärztinnen und Ärzte berücksichtigen bei der Verordnung die besonderen Probleme, die sich aus der Verordnung geteilter Tabletten ergeben können“. (Stapel, 2014)

Ein Projekt im Hamm in der stationären Heimversorgung hatte zum Ziel, dass Arzneimittel insbesondere in den Alten- und Pflegeheimen nur in den medizinisch notwendigen wie auch pharmazeutisch möglichen Fällen geteilt werden. Ergebnis des Projektes, welches in zwei Phasen durchgeführt wurde, war, dass auf circa 60 bis 70 Prozent der Teilungen (58 Prozent Phase I/68 Prozent Phase II) verzichtet werden könnte, da die Fertigarzneimittel in passender Stärke zur Verfügung stehen. Unabhängig davon besteht durchaus die Notwendigkeit, dass in Einzelfällen aus medizinischen Gründen Arzneimittel zur Dosisanpassung geteilt werden. In beiden Phasen wurden circa 11 Prozent der Arzneimittel geteilt, deren Teilung unzulässig ist; in diesen Fällen können Risiken entstehen. Es ist sinnvoll, den versorgenden Apotheker zukünftig verstärkt zu Fragen der Teilbarkeit mit einzubinden. Hier wird das Ziel verfolgt, dass die circa 11 Prozent Arzneimittel, die nicht geteilt werden dürfen, durch andere Arzneimittel ersetzt werden. Weiterhin ist anzustreben, dass auf die Teilung verzichtet wird, wenn das Arzneimittel in der passenden Stärke im Handel zur Verfügung steht. Pflegedienstleitungen, Pflegepersonal, Arzt und Apotheker sollten in interdisziplinärer Zusammenarbeit Maßnahmen zur Verbesserung der Arzneimittelversorgung in Heimen entwickeln. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden und werden bei den routinemäßigen Heimbegehungen angesprochen. So werden auch die Pflegekräfte vor Ort über die durch das Teilen entstehenden Risiken informiert. Das Gesundheitsamt (Amtsapotheker) wird auch in Zukunft einen Schwerpunkt auf diese Problematik setzen mit dem Ziel, die Arzneimitteltherapiesicherheit in den Alten- und Pflegeheimen zu verbessern. Zu diesem Zweck soll ein Qualitätszirkel beim Gesundheitsamt aufgebaut werden. Im Interesse der Patienten ist eine eindeutige Angabe zur Teilbarkeit im Rahmen der Dosisanpassung in der Packungsbeilage, besser noch auf dem Umkarton zu fordern. (vgl. Stapel, 2014d)

Aus diesen Gründen wurde ein Ablauf erarbeitet, bei dem ein Patient eine Verordnung über ein zu teilendes Medikament erhält und in einem entsprechenden Flussdiagramm dargestellt. Das Flussdiagramm, definiert die einzelnen Schritte klar und ordnet den einzelnen Prozessschritten Zuständigkeiten zu. Ziel ist eine risikolose und Therapiekonforme Arzneimittelverabreichung durch den Pflegedienst.

Inhalt der einzelnen Prozessschritte:

Rezept über eine zu teilende Tablette

Prüfung durch die Pflegefachkraft / den Arzneimittelbeauftragten[1], ob eine Dokumentation über die Teilbarkeit dieses Medikamentes existiert. (Medikamentenplan des Patienten)

Wenn keine Dokumentation existiert, setzt sich der Pflegedienst / der Arzneimittelbeauftragter mit der zuständigen, kooperierenden Apotheke in Verbindung.

Gibt es die verordnete Dosierung auch als ganze Tablette?

Prüfung durch die Apotheke, ob es die verordnete Dosierung als ganze Tablette gibt.

Änderung des Rezeptes möglich?

In Absprache mit der Apotheke klärt entweder die Apotheke oder der Pflegedienst (Arzneimittelbeauftragte) mit dem verordnenden Arzt, ob das Rezept geändert werden kann.

Wenn das der Fall ist, endet der Prozess an dieser Stelle.

Rücksprache mit dem verordnenden Arzt

Die Apotheke klärt mit dem verordnenden Arzt, ob es sich bei der Verordnung um einen Verordnungsfehler handeln könnte, ob das Medikament aus Kostengründen so verordnet wurde oder um welche Gründe es sich handelt.

Ist die abzugebende Tablette teilbar?

Die Apotheke prüft, ob die verordnete Tablette teilbar ist.

Es wird unter anderem auch daraufhin geprüft, ob bei der Teilung von dem Medikament Gefährdungen für das Personal entstehen können. (z.B. Zytostatika, Inhalation von Stäuben bei der Teilung von Tabletten)

Dosis gleich teilbar?

Die Apotheke prüft, ob sich die Tablette Dosis gleich teilen lässt.

Ist die Teilung praktisch umsetzbar?

Hier ist darauf zu achten, dass die Tablettenhälften nach der Teilung stabil sind und nicht zerfallen etc.

Umsetzung der Teilung

Bei der Teilung von Tabletten müssen,

  • zur Vermeidung von Kontaminationen des Medikamentes (Hygiene) und
  • zum Schutz vor transcutaner oder transdermaler Resorption des Wirkstoffes (Arbeitsschutz)

immer Einmalhandschuhe getragen werden.

Je nach Medikament müssen noch weiter Hygienemaßnahmen eingehalten werden. (z.B. Mundschutz zur Vermeidung der Inhalation von Wirkstoffstäuben (Arbeitsschutz)).

Nähere Informationen zu den zutreffenden Hygiene- und Arbeitsschutzmaßnahmen können in der Apotheke erfragt werden.

Sichere Lagerung der Tablettenhälfte

Die Tablettenhälfte, die nicht direkt verabreicht wird, darf für max. 24 Stunden in einem wirkstoffgleichen Medikamentenbecher (ausschließlich Tablettenhälften des gleichen Medikamentes) mit Deckel aufbewahrt werden, soweit im Beipackzettel keine anderen Hinweise stehen und/oder der Apotheker keine Bedenken äußert.

Ansonsten muss der Tablettenrest verworfen werden.

Wird eine Tablettenhälfte zur Verabreichung am nächsten Tag in einem Medikamentenbecher mit Deckel aufbewahrt, sollte dieses, zur Vermeidung von jedweden Verwechslungen (wichtig insbesondere bei Wechsel einer Pflegekraft z.B. bei Krankheitsvertretung), immer eindeutig beschriftet sein (Patient, Medikament, Dosierung, …).

Bei mehreren zu teilenden Medikamenten beim gleichen Patienten ist so auch sichergestellt, dass immer der gleiche Medikamentenbecher für das gleiche Medikament verwendet wird (keine Kreuzkontaminationen durch den bei der Teilung erst recht unvermeidlichen Krümelchen und einem gewissen Abrieb-Staub entstehen).

Weiterhin sollten daher für diese Medikamentenbecher klare Vorschriften für Reinigung und (!) Desinfektion gelten (oder einfacher: Regelmäßig in geeigneten, am besten offiziell vom Apotheker empfohlenen Zeiträumen gegen neue austauschen.

Dokumentation der Möglichkeit zu teilen.

Der Pflegedienst und die Apotheke dokumentieren die Teilbarkeit dieser Tablette für spätere Verordnungen.

[1] Der Arzneimittelbeauftragte ist eine Qualifikation die Pflegefachkräfte durch eine entsprechende Weiterbildung erhält. Nähere Informationen zu dieser Weiterbildung erhalten Sie über den Verein.

Literaturverzeichnis

Kreis Soest. (2003). Arzneimittel in der ambulanten Pflege.PDF

Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH. (2010). Pharmazeutische Zeitung online: Tablettenteilen: Aus eins mach zwei, Avoxa – Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH. Ausgabe 40. Zugriff am 14.09.2016. Verfügbar unter http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=35463

ApBetrO. Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung – ApBetrO) https://www.gesetze-im-internet.de/apobetro_1987/BJNR005470987.html; letzter Zugriff 19.09.2018

Quinzler, R. & Haefeli (2006) Tabletten teilen Abteilung Innere Medizin VI, Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie, Medizinische Klinik (Krehl-Klinik), Universitätsklinikum Heidelberg – Therapeutische Umschau – © 2006 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern Band 63, 2006 DOI 10.1024/0040-5930.63.6.441

Teng, J, Song, CK, Williams, RL, Polli, JE Lack of medication dose uniformity in commonly split tablets2002 Mar-Apr;42(2):195-9. School of Pharmacy, University of Maryland-Baltimore, 21201, USA

Stapel, U. (Pharmazeutische Zeitung online Hrsg.) (2014). Teilen von Arzneimitteln: Qualitätssicherung in der Heimversorgung Ausgabe 22/2014. Verfügbar unter https://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=52396 (Dr. Ute Stapel, Gesundheitsamt der Stadt Hamm, Heinrich-Reinköster-Straße 8, 59065 Hamm)

Empfehlung Teilen von Medikamenten (NeLA e.V.)